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Schlaglicht
China – Wo Schatten ist, ist auch Licht

Das Wirtschaftswachstum in China ist so niedrig, wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Sektoren wie Bau, Kohle oder Stahl haben gewaltige Überkapazitäten aufgetürmt. Und die Verschuldung in der gesamten Volkswirtschaft beläuft sich mittlerweile in etwa auf das Zweieinhalbfache des Sozialprodukts. Entsprechend gilt eine harte Landung der chinesischen Wirtschaft weiter als eines der größten Risiken für die globale Konjunktur. Wie dieses Risiko bewerten?
Auch wenn hier sicher nicht der Platz ist, die Dinge in China schönzureden, so verdienen doch einige relativierende Punkte Erwähnung. Erstens, der unter „neuer Normalität“ firmierende Umbau des Wirtschaftsmodells – weg von Investitionen und Export hin zu Konsum und Dienstleistungen – erfolgt bewusst und gewollt. Er soll zu mehr Nachhaltigkeit und Stabilität führen. Besser künftig einstellig, aber stabil, statt zweistellig, aber fragil wachsen.
Zweitens, das Reich der Mitte steht inzwischen für ein Viertel der globalen Industrieproduktion, 1990 lag sein Anteil hier erst bei drei Prozent. Die Hälfte aller seiner zwischen 1952 und 2015 hergestellten Güter und Dienstleistungen hat das Land übrigens seit 2008 produziert. Kurzum: Indem China sein globales Gewicht in den vergangenen Jahrzehnten massiv gesteigert hat, reicht heute ein wesentlich geringeres Wachstum als damals, um die Weltwirtschaft anzuschieben. Zudem hat sich China derweil zum Zentrum der gesamten „asiatischen Fabrik“ gemacht, aus der jetzt die Hälfte der weltweiten Industrieproduktion stammt.
Drittens, die chinesische Mittelschicht wächst. Gleichzeitig investieren Unternehmen in Automation, um etwa steigende Löhne mit mehr Effizienz und höherer Produktivität zu unterlegen, und der Staat in Infrastruktur. Während in Japan auf 10.000 Beschäftigte 1.400 Roboter kommen, sind es in China erst 300. Bis 2020 sollen jedes Jahr zehn neue Flughäfen entstehen. Der Urbanisierungsprozess hält ein enormes Potenzial bereit. Viertens, der chinesische Renminbi gilt als um rund ein Fünftel überbewertet. Keine andere große Volkswirtschaft leistet sich eine derart überteuerte Währung. Hier ist also noch reichlich Spielraum für eine Abwertung, die Exporte und damit das Wirtschaftswachstum befördern könnte.
Besorgniserregender als wiederkehrende Turbulenzen an den Börsen und Devisenmärkten (wie Anfang dieses Jahres) an sich erscheint eher der politische Umgang damit. Einerseits gibt man vor, mehr marktwirtschaftliche Instrumente zulassen zu wollen, andererseits steigt dann aber regelmäßig die Nervosität, wenn eben diese marktwirtschaftlichen Kräfte ihre gewohnte Arbeit tun, die hier und da eben zu mehr Volatilität führt. Statt dann staatlicherseits zu intervenieren, sollte der Privatsektor weiter gestärkt werden.
Die Exporte der deutschen Elektroindustrie nach China sind im vergangenen Jahr 2015 übrigens nur um knapp ein Prozent gestiegen, und die Spitzenposition im Abnehmer-Ranking ging wieder an die USA verloren. Das passt ins gesamtwirtschaftliche Bild. Gleichwohl sind stark schwankende Veränderungsraten bei den heimischen Elektroausfuhren nach China in den letzten anderthalb Jahrzehnten immer an der Tagesordnung gewesen. Absolut haben sich die Branchenexporte zwischen 2000 und 2015 aber von 2,5 auf 15 Milliarden Euro versechsfacht!
Ihr Ansprechpartner:
Dr. Andreas Gontermann
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