nachgehakt! – bei Rainer Brehm, Siemens

Eine All Automation Society?

7. August 2023, 11:40 Uhr | Meinrad Happacher
Rainer Brehm ist CEO Factory Automation bei Siemens und Vorsitzender des ZVEI-Fachverbandes Automation.
© Siemens

Die industrielle Automation hat in den letzten 25 Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Wo aber steht die Automation heute genau und wo sollte oder muss sie in Zukunft stehen. Rainer Brehm bezieht im Interview Stellung.

Herr Brehm, wenn wir 25 Jahre zurückblicken, hätten Sie gedacht, dass die industrielle Automation eine solche Erfolgsstory wird?

Rainer Brehm: Als ich vor 27 Jahren meine erste Steuerung programmiert habe, konnte ich mir das noch nicht vorstellen. Damals war die Programmierung noch nicht so einfach und komfortabel wie heute. Erst mit Konzepten wie Totally Integrated Automation wurde Automatisierung durchgängiger und einfacher. Der deutsche Maschinenbau und die Automobilindustrie haben diese Entwicklung vorangetrieben und die Vorteile einer durchgängigen Automatisierung erkannt. Deren Erfindergeist und Unternehmertum sind für mich die Erfolgsfaktoren für die Entwicklung der Automatisierung in Deutschland.

Sie haben im November auf der SPS gesagt: Automation ist der Hebel, um die Herausforderungen der Zukunft zu gestalten. – Wie meinen Sie das?

Brehm: Es gibt viele Bereiche, in denen mit Automatisierung die Zukunft gestaltet werden kann. Drei Beispiele.

Erstens: Nachhaltigkeit. Auf der Hannover Messe haben wir ein Vertical Farming Exponat gezeigt, in dem 10.000 Salatköpfe wachsen. Die Automatisierung stellt sicher, dass der Salat in einer kontrollierten Umgebung wächst, ohne Pestizide und mit wesentlich weniger Wasser. Dieses Exponat steht jetzt bei uns in der Münchener Zentrale und produziert weiter nachhaltige Salate und Kräuter, nah am Verbraucher und ganz ohne Transportweg, in diesem Fall für die Kantine am Standort.

Zweitens: Kreislaufwirtschaft. Ein Ziel von mir ist die automatisierte Reparatur. Um Ressourcen zu sparen, müssen wir von einer Wegwerfmentalität zu einer Reparaturkultur kommen. Wichtig wird das zum Beispiel im Bereich Batterien: Wenn nur eine Zelle einer Elektroauto-Batterie kaputt ist, sollte diese in Zukunft ausgetauscht werden können, ohne die ganze Batterie zu entsorgen. Autobatterien enthalten zudem für den Menschen gefährliche Stoffe. Wenn wir die Reparatur automatisiert durchführen können, schützt das den Menschen vor den hohen Spannungen und gefährlichen Substanzen.

Und damit sind wir schon beim dritten Beispiel: Fachkräfte sind an vielen Stellen rar, hier kann die Automation in der Produktion zunehmend unterstützen. Roboter zum Beispiel übernehmen nicht nur repetitive Aufgaben, sondern greifen auch ein, wenn Menschen eine Aufgabe nicht übernehmen können. Hier ist die Herausforderung, dass die Automatisierung Aufgaben lösen muss, die nicht vorhersehbar sind, also auch nicht vorab programmiert werden können.

Wie wollen Sie die junge Generation für Ihre Vision begeistern?

Brehm: Mit einer einfachen Handhabung und der Möglichkeit, Apps über eine Plattform anzubieten, hat das Smartphone die Kommunikation revolutioniert. Ganze Entwickler-Communities entwickeln heute Apps und bieten dem Anwender Mehrwert. Eine ähnliche Revolution sehe ich für die Industrie. Das heißt für uns, dass wir im industriellen Umfeld immer mehr IT in die OT integrieren. Viele unserer Lösungen entwickeln sich zum Beispiel in Richtung „IT-like“-Engineering und dafür brauchen wir zukünftig viele IT-Talente. Ich denke, bei uns haben junge Leute die Möglichkeit an den wichtigsten Lösungen für die nachhaltige Industrie von morgen mitzuarbeiten. Ich finde es wertvoller, mit KI Produktionsprozesse effizienter zu gestalten als mit KI die richte Werbung auf einer Webseite zu platzieren.

Derzeit wird gern die Elektrifizierung unter dem Slogan »All Electric Society» als der Heilsbringer für die Probleme der Zukunft propagiert. Bräuchten wir nicht vielmehr eine »All Automation Society«?

Brehm: Für eine anpassungsfähige Industrie der Zukunft brauchen wir Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung. Eine intelligente Elektrifizierung ist die Basis. Automatisierung stellt schon heute die Daten zur Verfügung, mit der die Produktion optimiert und effizienter gestaltet werden kann. Auf dem Gebiet der Digitalisierung gilt es, diese Daten besser und intensiver zu nutzen.

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