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Meinung
Ist unser Handeln moralisch vertretbar?
Ganz platt könnte man sagen: Nein! Denn die in Deutschland kürzlich vom Paritätischen Wohlfahrtsverband propagierte Armut ist sehr, sehr relativ.
Aber wenn wir uns fragen woher unser Wohlstand in Deutschland kommt, dann unter anderem sicher durch unsere riesigen Exporterfolge und insbesondere die Exporterfolge in die Schwellenländer, wie z.B. China in den vergangenen 20 Jahren, das sich mittlerweile aus dem Bereich des Schwellenlandes erhoben hat und allmählich unser Konkurrent wird.
Aber unsere Exporterfolge in arme Länder, wie immer man sie bezeichnen mag, ist nichts anders als moderner Kolonialismus. Wir nutzen das Unwissen und die Unfähigkeit der Menschen in diesen Ländern, die sie nicht befähigt selbst die Produkte herzustellen die sie brauchen - und so verkaufen wir sie ihnen.
Und wir verkaufen sie zu unseren Preisen, d.h. zur Deckung unserer Kosten plus Zuschlag. Unsere Kosten, die uns unseren Lebensstandard ermöglichen den wir haben. Der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde entspricht dem Tageseinkommen der Menschen in diesen Ländern, liegt häufig sogar noch darunter.
Unsere Exportaktivitäten werden wir in dieser Form so lange an den Tag legen können, wie in diesen Ländern die Fähigkeiten zur Eigenproduktion noch nicht gegeben sind oder, wie insbesondere in afrikanischen Ländern, die Entwicklungshilfe dafür sorgt, dass wir unsere Lieferungen bezahlt bekommen.
Ein grundsätzliches Thema, das mich als Vorsitzender von UNICEF in Deutschland beschäftigt, ist der Einsatz von Kindern in Arbeitsprozessen. Kinder sind die Zukunft. Über diesen schon so häufig gehörten Satz vergessen wir leicht, dass Kinder auch die Gegenwart sind. Und zwar ganz erheblich. Ein Drittel der Weltbevölkerung - 2,2 Milliarden Menschen - sind heute Mädchen und Jungen unter 18 Jahren, Tendenz steigend.
Kinder und Jugendliche stellen in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern die Hälfte und mehr der Bevölkerung. Für viele Familien sind sie der einzige Reichtum - und oft die einzige Lebensversicherung.
Das macht es umso dringlicher, dass Unternehmen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen, bei der Weiterentwicklung ihrer CSR-Strategien nicht nur die Menschenrechte, sondern speziell auch die Rechte von Kindern in den Fokus nehmen.
Aus dem großen Einfluss, den Unternehmen auf die Lebensumstände von Menschen haben, erwächst ihnen auch eine große Verantwortung. Kinder zu schützen und zu fördern. Dies bedeutet deshalb auch mehr, als Geld für Charity-Projekte auszugeben.
Die Achtung der Kinderrechte sollte als Teil der Unternehmenskultur fest verankert sein und aller unternehmerischen Tätigkeit zugrunde liegen.
Darüber hinaus appelliere ich an die Selbstverpflichtung Unternehmen, sich auch einen Überblick nicht nur der eigenen Unternehmen sondern auch der Lieferanten im Ausland zu verschaffen. Besondere Sorgfaltspflichten gelten hier beim Einkauf von Risikoprodukten.
Der Industrie ist dringend anzuraten, die Maßnahmen der Selbstverpflichtung ernst zu nehmen und weiter voran zu treiben, bevor gesetzliche Regelungen kommen, die dann entweder nicht erfüllt werden können oder wenn sie strafbewährt sind Risiken für die Unternehmen beinhalten, die zum Teil weder überschaubar oder gar vermeidbar sind.
Dr. Jürgen Heraeus, Präsident
UNICEF Deutschland
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